Bereits 50 Frauen mit 60 Kindern suchten Hilfe

30. November 2023: Ein Jahr Fachberatungsstelle für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder
Rat und Tat in schwierigen Lebenslagen bietet seit einem Jahr die Fachberatungsstelle

„Frauen haben eh keine Rechte und wenn er mich umbringt und im Ausland verscharrt, findet mich eh keiner, hat er gesagt“, so eine Frau, die sich hilfesuchend an die Fachberatungsstelle gewandt hat. Die Frau stand da mit ihren zwei Kindern und ihren Habseligkeiten in einer Plastiktüte verpackt, erzählte die Sozialpädagogin der Fachberatungsstelle aus ihrem Alltag.

Regionales Hilfesystem
Am 01.12.2022 öffnete in der Ludwigstraße in Cham die Fachberatungsstelle für Frauen und ihre Kinder, die von häuslicher und/oder sexualisierter Gewalt betroffen sind. „Wir schauen auf ein Jahr sozialpädagogische Arbeit zurück und können sagen, der Bedarf im Landkreis Cham ist vorhanden“, so das Resümee der Initiatoren, die bereits im März 2022 den Grundstein legten. Damals unterzeichnete Landrat Franz Löffler, der damalige 1. Vorsitzende des Diakonischen Werks Cham-Regen e.V., Dekan i.R. Walter Kotschenreuther und Ludwig Reger vom Caritasverband Landkreis Cham e.V. eine Absichtserklärung zum Ausbau des regionalen Hilfesystems bei häuslicher und sexualisierter Gewalt im Landkreis Cham.

Der Träger, das Diakonische Werk Cham-Regen e.V. war schnell gefunden. Nicht nur Räumlichkeiten, sondern auch qualifizierte Sozialpädagoginnen wurden gesucht. Hierfür arbeiteten die Mitarbeitenden des Landratsamt Cham mit der Diakonie, insbesondere mit Johanna Gruber, der Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Cham-Regen Hand in Hand. Am 1.12.2022 erfolgte dann der Start der Beratungsstelle mit vorerst zwei Sozialpädagoginnen. Das Team wurde schon im März 2023 um eine Sozialpädagogin ergänzt. Die drei Sozialpädagoginnen machten das neue Angebot im Landkreis Cham bekannt. Aufgrund des bereits bestehenden „Netzwerkes gegen häusliche Gewalt im Landkreis Cham“ rund um die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Tanja Schmidbauer gelang dies schnell.

Mehr als 50 Frauen
Innerhalb des ersten Jahres wendeten sich mehr als 50 Frauen mit insgesamt über 60 mitbetroffenen Kindern an die Fachberatungsstelle. Es sind Frauen und Kinder aus dem gesamten Landkreis. Frauen und Kinder, die Häusliche Gewalt, insbesondere Gewalt durch ihren Partner und Vater oder Expartner erfahren haben. Darunter körperliche Gewalt und schwere Körperverletzungen, sexualisierte und sogar reproduktive Gewalt, psychische Gewalt, Drohungen, Soziale Gewalt wie Einsperren, Kontaktverbot zu Freunden und Isolation. Die Frauen und Kinder erlitten auch digitale Gewalt, Überwachung, Stalking und Nachstellen sowie ökonomische Gewalt, wie den Entzug finanzieller Mittel.

Oft sind die körperlichen und seelischen Verletzungen so groß, dass die Frauen zum Teil einen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt hinter sich hatten und sowohl die Frauen als auch die Kinder eine langjährige psychologische Betreuung benötigen, berichten die Sozialpädagoginnen aus ihrem Alltag.

Suche nach Hilfe
Die Kontaktaufnahme zur Beratungsstelle erfolgt in der Regel zunächst telefonisch. Ein Großteil der Frauen wurde durch andere Fachstellen oder Fachkräfte vermittelt. Nach einem telefonischen Erstkontakt folge meist ein persönliches Beratungsgespräch. Viele Frauen und Kinder werden über einen längeren Zeitraum hinweg ambulant begleitet. In Akutfällen werden die Frauen und Kinder an Frauenhäuser vermittelt. Die Schutzwohnung, die von den Sozialpädagoginnen betreut wird, ist aktuell zum vierten Mal belegt. Weiteren 11 Frauen konnte die Wohnung aufgrund der Belegungssituation nicht zur Verfügung gestellt werden.

Die Frauen und Kinder, die zur Fachberatungsstelle kommen brauchen in der Regel Schutz vor weiteren Verletzungen, eine finanzielle Absicherung oder auch einen neuen Aufenthaltsort. Die Frauen kommen mit vielen Fragen zur Trennung, Scheidung, Sorgerecht, Umgang oder Unterhalt.

Die Sozialpädagoginnen der Fachberatungsstelle begleiten die Frauen hier zu Terminen bei Rechtsanwälten, der Polizei, dem Jugendamt oder anderen Ämtern. Auch die Begleitung zum Amtsgericht, mit dem Ziel auf ein Näherungsverbot oder einer Wohnungszuweisung des Täters findet durch die Sozialpädagoginnen der Fachberatungsstelle statt. Zur Weiteren Unterstützung können die Frauen an weitere Fachstellen, wie die niedergelassenen psychologischen Praxen oder Beratungsstellen im Landkreis angebunden werden.

Präventives Angebot
Neben der direkten Hilfe in Akutfällen oder Hilfe nach oder während langjährigen Gewalterfahrungen arbeitet die Fachberatungsstelle auch präventiv.

Mit der Honorarkraft, Doris Klingseisen, ist es der Diakonie möglich, verschiedene Präventionsprojekte anzubieten und umzusetzen. Dieses Jahr fand u.a. ein Selbstverteidigungskurs für Frauen und Mädchen in Furth im Wald statt.

Für nächstes Jahr sind schon einige Projekte geplant, die die Fachberatungsstelle neben ihrer täglichen direkten Hilfe und Beratung gewaltbetroffener Frauen und Kinder umsetzten, möchte.