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Nachgefragt.. am Gesundheitsamt

Dr. Benedikt Knon, Leiter des Gesundheitsamtes Cham informiert:

Die Corona-Pandemie hat innerhalb kürzester Zeit die gesamte Welt auf den Kopf gestellt. Im April 2020 waren mehr als ein Drittel der gesamten Menschheit unter Quarantänemaßnahmen, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen. Derartige Maßnahmen können zahlreiche, insbesondere psychosoziale Konsequenzen nach sich ziehen. Unsicherheit, Stress, Trennung von nahestehenden Menschen, Einsamkeit und Langeweile können dramatische Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben – und hiervon ist keine Altersgruppe ausgenommen.

Das Projekt „Gemeinsam stark – im Landkreis Cham“ wurde von den Mitarbeitern des Gesundheitsamtes Cham ins Leben gerufen, um besonders auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen einzugehen. Angst, Depressionen , Essstörungen und Stress haben durch die Pandemie auch in diesen Altersgruppen zugenommen. Viele Kinder klagen über Kopf- oder Bauchschmerzen und auch Eltern machen sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder.

Über das Projekt „Gemeinsam stark – im Landkreis Cham“ finden Eltern, Erzieher, Sozialarbeiter und –pädagogen Informationen, Tipps und Hilfen zu verschiedenen Themen und finden in den Mitarbeitern des Gesundheitsamtes Cham direkte Ansprechpartner.

Wir freuen uns, allen Interessierten dieses Angebot machen zu können, und hoffen, bei der Bewältigung dieser schwierigen Situation helfen zu können.

Interview mit Frau Dr. Ondr, Allgemeinärztin:

Frau Dr. Ondr, die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen zu spüren. Wie ist ihre Einschätzung dazu?

Nach Ergebnissen der COPSY-Studie zeigt fast jedes dritte Kind ein Jahr nach Beginn der Pandemie psychische Auffälligkeiten in Folge von Stress. Wobei man beachten sollte, dass dies nicht zwangsläufig zu psychischen Erkrankungen führt.

Aber jetzt nach Wiedereröffnung der Schulen darf zum Beispiel nach der Auffassung vieler Fachstellen der Focus nicht nur auf dem versäumten Schulstoff liegen. Kinder und Jugendliche müssen psychisch gestärkt werden. Es ist auch wichtig Zeit für Spiel, Sport, künstlerische Freizeitgestaltung, Geselligkeit, also Gemeinschaftserleben zu haben.

Denn eines steht fest, Kinder und Jugendliche lernen insbesondere dann effektiv, wenn der soziale Austausch stimmt.

Sie erwähnen Stress für Kinder und Jugendliche. Können Sie uns kurz einen Einblick geben, was Stress eigentlich ist und welche Auswirkungen er hat?

Der Forscher H. Selye definierte Stress als „unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Beanspruchung“, d. h. ein Leben ohne Stress ist überhaupt nicht möglich. Stress ist die Grundlage zum überlebenswichtigen Impuls des Lernens. Er nennt den Begriff Eustress, den sogenannten positiven Stress, also die Herausforderung, die man meistert, was der Steigerung der Leistungsfähigkeit und Kreativität dient. Dagegen führt der sogenannte Distress grob gesagt zu Dauerüberforderung. Distress entsteht, wenn man Herausforderungen nicht (mehr) meistert, Problemlösungen nicht gelingen. Diesen Distress – zunehmend als Dauerzustand - erleben viele Familien während der Corona-Pandemie.

Beim Distress werden auf körperlicher Ebene  Botenstoffe im Nervensystem rasch verbraucht, die für eine positive psychische und körperliche Verfassung und Leistungsfähigkeit wichtig sind. Dieser Mangel äußert sich z. B. in Gereiztheit, Angst und depressiver Verstimmung.

Sie haben jetzt schon einige Auswirkungen von negativen Stress genannt. Können Sie das genauer definieren in Bezug auf die Folgen der Pandemie?

Kinder und Jugendliche sind oft antriebslos, Konzentrationsschwierigkeiten treten auf, sie reagieren gereizt auf andere oder es kommt beispielsweise zu einer Überforderung in der Schule oder Familie. Die Folgen können die Entwicklung von Appetitlosigkeit oder übermäßigem Essverhalten, Infektanfälligkeit und sozialer Rückzug sein.

Mitmenschen und Freunde werden als Belastung oder sogar Bedrohung erlebt, die Kinder und Jugendlichen versuchen mit sich alleine klar zu kommen. Die Stimmung wird zunehmend gedrückt, vielleicht sogar depressiv.

Durch die Überlastung des körperlich- psychischen Systems können sich auch allergische Erkrankungen verschlechtern oder gar Herz-Kreislauf-Belastungen entstehen.

Distressfaktoren für Kinder in der Pandemie sind vor allem Bewegungsmangel, Spannungen im häuslichen Umfeld durch die Mehrbelastung der Eltern, zu viel zuckerhaltige Nahrung, Auseinandersetzung mit dem Thema Tod, Gefühle der Einsamkeit und Schulängste, das Gefühl zu versagen.

Welche Wege aus der Krise sehen Sie als Ärztin und haben Sie ganz praktische Tipps für Eltern und Erziehende?

Liebe Eltern,

nehmen Sie ihr Kind häufiger liebevoll in den Arm. Schaffen Sie Nähe und schenken Sie Geborgenheit. Lassen Sie Gefühlsäußerungen wie Weinen und Schreien zu.

Fragen Sie nach, was das Kind bedrückt, hören Sie zu. Vor allem haben Sie Vertrauen in das Kind,  loben und wertschätzen Sie es, wann immer Sie können. Vermitteln Sie ihm oft, dass ihm Vieles toll gelingt, dass Ihr Kind so, wie es ist, wunderbar ist, dass Sie froh sind, dass Sie sich als Familie haben.

Achten Sie auf Rhythmus und Ordnung im Alltag, jedoch ohne Druck auszuüben. Mahlzeiten sollten beispielsweise gemeinsam eingenommen werden.  Das Kind und der Jugendliche sollen sich als Teil der Familie erleben.

Schenken Sie ihrem Kind „echte Zeit“, was sich im Vorlesen, gemeinsamen Singen, Malen, Tanzen oder Kochen äußern kann. Achten Sie auf gesunde Ernährung. Ab und zu sind zuckerhaltige Nahrungsmittel in Ordnung. Vermeiden Sie aber übermäßigen Konsum. Weichen Sie lieber auf Obst aus.

Sagen Sie ihrem Kind, dass sie es liebhaben. Handeln sie nach dem Motto:

„Ganz egal was dir passiert. Ich halte dich, liebe dich  und gebe auf dich Acht.“

Scheuen Sie sich aber auch nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Ihnen alles zu viel wird. Es gibt viele Anlaufstellen, auch im Landkreis Cham, die für Sie und Ihr Kind in dieser schwierigen Zeit da sind.

Frau Dr. Ondr, vielen Dank für das interessante Gespräch.

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